Dampflokzeit in Oberfranken

Schlagwort: Spähfahrt

Die Spähfahrt nach Hof: 02.03.1969

Der 02.März 1969 wird für uns wohl immer unvergessen bleiben. Um 7:35 Uhr strebten Hans und ich mit einem Beutel voll Proviant, mit Notizblock und Fotoapparat bewaffnet dem Mainleuser Bahnhof zu. Der Wettergott schien uns hold zu sein, da am Himmel fast kein Wölkchen hing. Von Mainleus nach Hof gab es keine Sonntagsrückfahrkarten, deshalb kaufte ich am Schalter zunächst zwei Rückfahrkarten nach Kulmbach. Dort besorgte ich dann drei Sonntagsrückfahrkarten nach Hof. Peter kam gerade auf dem Kulmbacher Bahnhof an, als unser Zug (4079) einfuhr. Da wir geplant hatten, von Kulmbach bis Hof mit dem E871 zu fahren, mussten wir erst noch eine halbe Stunde warten.
Ich wollte es Hans nicht glauben, als er behauptete, dieser Zug sei immer voll besetzt. Aber als er einfuhr, musste ich mich selbst davon überzeugen, denn wir konnten uns nur Stehplätze sichern. In Neuenmarkt leerte sich der Zug aber und von da ab hatten wir ein Abteil für uns.
Als der Schaffner in Neuenmarkt pfiff, waren wir schon ganz aufgeregt. Wie würde sich die Zuglok 01 169 an der Schiefen Ebene verhalten? Mit gewaltigen Dampfstößen donnerte sie der Steilrampe entgegen. Schon hatte unser Zug das Stück bis zur ersten Kurve hinter sich.

Peter konnte sich nicht zurück halten, ein paar Aufnahmen aus dem Fenster zu schießen.
Allmählich verlangsamte sich die Fahrt bis zu einer bestimmten Geschwindigkeit, die die Lok dann halten konnte. Ich schätze es waren ungefähr 35 km/h. Endlich war Marktschorgast erreicht. In flotter Fahrt ging es nun weiter. nach einem kurzen Aufenthalt in Münchberg fuhr der Zug bis Hof durch.
Kurz vor Oberkotzau „hängten“ sich Peter und ich links ans Fenster, Peter rechts, damit uns die ausgemusterten Lokomotiven, die dort angeblich stehen sollten, nicht entgingen.
Da! Ich erblickte sie zuerst. Eine lange Reihe von ausgemusterten 01en, zwei 64er und eine 50er.
Obwohl sich das Wetter verschlechtert hatte, waren wir jetzt wieder einmal voller Tatendrang, noch dazu, als wir bei der Einfahrt in Hof die beiden Unfallloks vor dem Bw stehen sahen.

Herr Meister wartete schon an der Sperre, als wir den Zug im Bahnhof verließen. Sofort lud er uns in sein Auto und ab ging´s ins Bw.
Dort hatten wir gleich anfangs einen guten Eindruck. Rechts von der Einfahrt stand eine Reihe von Tenderloks und wenn wir geradeaus weiter gefahren wären, hätten wir direkt die 051 368-7 gerammt.
Herr Meister parkte unmittelbar neben dem Bw-Gebäude und ging dann mit uns in die Lokleitung, um die Erlaubnis für die Bw-Besichtigung zu holen.
Der Gemütsmensch, der dort Dienst tat, hatte nichts gegen unseren besuch und so steuerten wir wenige Minuten später die Gleise, die neben dem Lokschuppen von der Drehscheibe weggingen, an.
Den Säulen nach, die rings herum standen, musste auch dies früher einmal ein Schuppen gewesen sein.

Neben der schon erwähnten 051 368-6 stand die 44 582. Als Herr Meister uns anbot, in die Grube unter der Lok zu steigen, waren wir sofort Feuer und Flamme. Einfach toll, unter so einem Ungeheuer zu stehen! Ich behielt als Andenken an die 44er einen Ölfleck auf meinem Anorak.

Direkt neben dem Lokschuppen stand die ausgemusterte 01 171, von der wir das Schild „Größte Geschwindigkeit 130 km/h“ erhalten hatten. Sie wurde natürlich, ebenso wie die 44 582, mit dem Fotoapparat „aufs Korn genommen“. Dann gelangten wir durch ein kleines Tor in den riesigen Lokschuppen. Ein Summen erfüllte die Halle und die Nase nahm einen Geruch von heißem Öl wahr. Hier reihte sich50er an 50er und 01 an 01.
Ganz fremd kommen sie einem, vor, diese Ungetüme, wenn sie so unbeweglich im Halbdunkel des Lokschuppen stehen, während man sonst gewöhnt ist, sie vor Zügen durch die Landschaft donnern zu sehen.
01 131, 192, 210, 230 – alles bekannte Nummern, ein herzerquickender Anblick für einen Lokfan. Als wir auf unserem Rundgang zur 01 202 kamen, fiel uns gleich auf, dass der rechte 2er auf dem vorderen Nummernschild schief war. Sofort kletterte Herr Meister auf die Lok, schon hatte er die 2 in der Hand und warf sie mir herunter. Unser erstes Lok-Erinnerungsstück an diesem Tag!

Ganz am Ende des Lokschuppens stand die 01 150. Wegen eines Triebwerkschadens musste sie am nächsten Tag zusammen mit der 01 059 ins AW Lingen und so ließen wir es uns nicht nehmen, sie genau zu untersuchen. Wer wusste, ob sie wieder mit alter Bezeichnung zurück kehren würde.

Jedenfalls gelangten wir nun durch eines der Tore wieder ins Freie und standen fast direkt vor der Bekohlungs-, Bewässerungs- und Entschlackungsanlage.
Herr Meister erklärte und beschrieb uns alles und führte uns schließlich auch auf den Kohlekran. Von dort oben aus schoss ich eine Aufnahme von einem einfahrenden Schnellzug und eine Gesamtaufnahme vom Bahnhof Hof Hbf. Von der Bekohlungsanlage aus gelangten wir , vorbei an zwei ruhenden 217, zu den beiden Unfallloks 01 081 und 01 173. Wir konnten es kaum fassen, dass zwei 01en nach dem Zusammenstoß mit einem Tanklastzug so aussehen konnten.

Die Fotoapparate wurden „nicht kalt“. Auch bei der kleinen Drehscheibe nicht, zu der wir als nächstes kamen.
Auf den von der Scheibe ausgehenden Gleisen standen neben etlichen 64ern und 86ern ein paar V60, eine 333 und einige andere Köfs.
Die interessanteste Lok war aber wohl die 01 149 in Z-Stellung, die wegen ihrer Länge nicht auf die Drehscheibe gepasst hatte, deshalb getrennt von ihrem Tender gedreht werden musste und nun neben diesem auf einem Gleis stand. Der Tender war noch gehäuft voll Kohlen. Die nächste Station unserer Bw-Besichtigung war der Diesellokschuppen, in dem neben fast allen V 100, die das Bw beheimatete, auch drei Tenderloks kalt abgestellt waren.

Mittlerweile war es elf Uhr geworden. Wir waren nun mit dem Bw fertig und so stiegen wir in Herr Meisters Auto, das uns in kurzer Zeit nach Oberkotzau brachte. Nach einer abenteuerlichen Fahrt auf einem schmalen, schlammigen Feldweg gelangten wir zu den hinter einer Schlange von Güterwagen versteckten ausgemusterten Loks.
Den Kopf bildete die 01 183. Peter und ich wechselten uns mit dem fotografieren ab. Herr Meister und Hans kletterten auf den Loks herum und montierten an Schildern herunter, was nicht niet- und nagelfest war. Auch Peter und ich beteiligten uns, als wir mit dem Knipsen fertig waren. Meine Tasche, in der wir die Sachen verstauten, wurde immer schwerer. Um 13 Uhr hatten wir schließlich genug.

Mit ölverschmierten Händen stiegen wir wieder in Herr Meisters Auto , der uns zu seiner Wohnung brachte. Dort zeigte er uns zuerst seine Garage, die gleichzeitig als Werkstatt diente. Ein Nummernschild der 44 077 hing an der Wand. Wir waren sprachlos, als er hinter einem Tisch ein Schild von der 86 095 hervorzog und sagte: „Des schenk ich euch.“
Dann führte er uns in die Wohnung, wo wir nach einer chemischen Händereinigung einen Kaffee mit Kuchen von Frau Meister vorgesetzt bekamen. Nun konnten wir uns ausführlich mit Herrn Meister unterhalten über frühere Loks des Bw Hof, über seine Zukunft und Vergangenheit usw. Ca. um 16 Uhr fuhr uns Herr Meister wieder an den Bahnhof. Dort verabschiedeten und bedankten wir uns für alles, was er an diesem Tag für uns getan hatte. Dann fuhr Herr Meister weiter und ließ uns allein. Zunächst grübelten wir nun nach, was wir mit der restlichen Zeit anstellen sollten. Nach einiger Zeit nahmen wir Peters Vorschlag an. Wir schlossen unsere Taschen und das Nummernschild in einem Schließfach ein und gingen noch einmal uns Bw.

Der Mann in der Lokleitung hatte auch dieses Mal nichts gegen unseren Rundgang. Wir schrieben zunächst die Nummernliste ab und strolchten dann in der Dampflokhalle herum. Die Zeit verging wie im Flug und als wir gerade an der Bekohlungsanlage zuschauten, wie eine 44er Wasser bekam, merkten wir, dass es höchste Zeit war, zum Bahnhof zurück zu gehen.
Wir meldeten uns bei der Lokleitung ab und eilten zum Zug. Als wir auf dem Bahnsteig ankamen, stand er schon bereit mit der 216 025-7 als Zuglok. Wir machten es uns bequem und warteten auf den Pfiff des Schaffners. Die Fahrt verlief zunächst ohne Ereignisse. In Oberkotzau sahen wir nochmals die lange Reihe der ausgemusterten Lokomotiven. In Falls wunderten wir uns über einen Personenzug nach Gefrees, der aus einer V60 und einem uralten 2-achsigen Personenwagen bestand.
In Neuenmarkt hatte unser Zug ziemlich lange Aufenthalt, deshalb gingen Hans und ich vor zur Lok, um nach Bremszetteln zu fragen. Der Lokführer war recht freundlich. Wir unterhielten uns mit ihm über Neubau-Dieselloks und er meinte, wir müssten mal nach Hof fahren, dort würden die 216, 217 und 218 planmäßig fahren.
Als er erfuhr, dass wir gerade von dort kamen und die Absicht hatten, noch bis Mainleus in seinem Zug zu fahren, bot er uns, zu unserem Erstaunen an, auf der Lok mitzufahren.
Wir fragten, ob wir auch Peter holen dürften und als er bejahte, waren wir kurz darauf auf der Lok versammelt. Hier machte die Fahrt natürlich noch viel mehr Spaß!

Peter musste ja in Kulmbach aussteigen und als er auch das verpackte Nummernschild mit herunternahm, meinte der Lokführer: „wos hobbterdn do, a Nummernschild?“
Als wir bestätigten, sagte er: „In Hof gibbts doch kanna echtn mehr, die sin alla scho fort.“, aber wir wussten, dass wir uns auf Herrn Meister verlassen konnten. Das Schild war tatsächlich ein Originalschild.

In Mainleus mussten dann auch wir die Lok verlassen. Wir bedankten uns aufs herzlichste und verabschiedeten uns Ein erlebnisreicher Tag, der den 29. August 1968 übertroffen hatte, näherte sich seinem Ende.

Liste der Lokerinnerungsstücke, die wir an jenem Tag erworben hatten:

Nr.Gegenstand (Schild)von Lok Nr.
01Loknummernschild: 86 09586 095
02Letzter 2er aus dem vorderen Nummernschild01 202
031 Buchfahrplanhalter01 058
04Kesseluntersuchung Letzte (5.4.61) – Nächste?
05Letzte Untersuchung (24.6.55)01 213
06Letzte Zwischen-, Haupt-(8.2.55) Untersuchung01 092
07Größte Geschwindigkeit 130 km/h01 008
08Zu – Bodenklappen – Offen 01 058?
09Achtung! Druckausgleichkohlenschieber …50 782
10Luftpumpenschild 0705171?
11Knallkapseln (Schildchen)50 782
12Warndreieck (gelb-schwarz) explosiv!50 782
13O (offen) (Regler offen – zu)50 782
14O – Lichtmaschine – Z (rot)01 008
15O – Lichtmaschine – Z (blankes Metall)?
16↯ Das Besteigen des Kessels und des Tenders…?
172x Schieber hinten Links: 1a, Rechst 7a …?
18Knallkapselbehälter50 782
19Speisepumpen: Handrad + Schild „Speisepumpe“64 113
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