Dass wir auch zu Beginn dieser Spähfahrt die berühmten „Späherzüge“ P 2804 und E 1911 benutzten, war ganz einfach durch die Tatsache bedingt, dass vor 6 Uhr eben kein Zug von Mainleus nach Kulmbach fährt, so dass wir dort in den E 1880 hätten umsteigen können. So geschah dies eben erst in Bamberg, wohin wir mittels der beiden „Späherzüge“ gelangten.
Der E 1880, der von Hochstadt bis Würzburg unter dem Fahrdraht fährt, legte einen tollen Spurt hin, weshalb er pünktlich um 7:53 Uhr in Würzburg einfuhr und unser Anschluss zum (etwas verspäteten) D 524 sichergestellt war.
In Würzburg herrschte leichter Nieselregen, der uns ein leises Fluchen entlockte. An die Wechselhaftigkeit des Wetters mussten wir uns allerdings i Laufe der Fahrt gewöhnen. Die 110 304, die den D-Zug am Haken hatte, wurde im Kopfbahnhof Frankfurt von ihrer Schwester Nr. 369 abgelöst, die uns glücklich bis zu unserem vorläufigen Zielort Koblenz brachte. Was uns sofort auffiel: auf den sieben Durchfahrtgleisen dieses Bahnhofs spielt sich ein sagenhafter Zugverkehr ab. Ihn zu registrieren war Hans´ Aufgabe, während ich eine Stunde lang halb Koblenz „durchlatschte“ , ohne ein geeignetes Quartier zu finden.
Um 12:15 Uhr waren wir wieder „alle“ auf dem Bahnhof „versammelt“ und warteten auf die Ankunft der 001 aus dem Bahnbetriebswerk Ko-Mo für unseren Zug ab. Unsere Gesichter wurden aber lang und länger, als eine der herumlungernden 215 auf den P 2452 rollte. Die Enttäuschung darüber schluckten wir während der Vier-Minuten-Fahrt zur Haltestelle Koblenz-Moselweiß mit einem Mettwurstbrot hinunter.
Unsere Information bezüglich der dampfgeführten Reisezüge in Koblenz erwies sich leider als ziemlich veraltet. Nun ja …
Das Bahnbetriebswerk Koblenz-Moselweiß war leicht zu finden.. In der Lokleitung fragte man uns jedoch, ob wir im Bahnhof Koblenz eine Tagesversicherung abgeschlossen hätten. Unsere Ahnungslosigkeit und die Einsicht, dass wir unmöglich erst noch einmal in die City von Koblenz fahren konnten, brachten den Menschen zu dem Entschluss, uns einen „Aufseher“ mitzugeben. Dieser erwies sich als freundlicher, gut informierter Lokführer, der uns in jeder Hinsicht nützlich war. Zuerst durchstreiften wir den Lokschuppen für Dampfloks (= ? … Dampflokschuppen! Richtig! Sie haben den ersten Preis in unserem Quiz gewonnen!). Neben einigen kalten 50ern trafen wir vier 44er und drei 94er an. Letztere standen in einem Stand (klingt nicht gut – ich weiß, aber sie standen tatsächlich alle drei in einem Stand), sodass die letzte noch vor dem Schuppen „Platz nehmen musste“. Sie war besonders Zielobjekt für unsere Kameras. Allerdings waren leider auch diese 94er „erkältet“ (nicht erkaltet!) Eine besondere Überraschung bildete die 311 233, die sich frech vor dem Dampflokschuppen hingepflanzt hatte und zum Knipsen reizte.
Auf dem „Freiluftschuppen“ qualmten eine 50er und fünf – später sechs – 44er vor sich hin. Wir „bearbeiteten“ sie sorgfältig, bevor wir zum E-Lok-Schuppen des Bw kamen, wo allerdings nicht sonderlich viel Betrieb war.
Bei der Einfahrt Ko-Mo hatten wir zwei abgestellte 82er und eine 50er ziemlich abseits vom Bahnbetriebswerk erspäht. Den Weg dorthin beschrieb mir unser freundlicher Führer viermal und als ich ihm zum Abschied drei Aufnahmen schenkte zum fünften Male, sodass wir sie nicht verfehlen konnten.
Kurz vor „Torschluss“ sozusagen kamen wir zu den abgestellten Loks, da zwei Männer gerade einen Zaun zwischen der Straße und dem Bahngelände spannten, der den Zugang ein paar Stunden später vereitelt hätte.
Na ja – die 82er wurde ihrer Seltenheit gemäß, oft genug unter Beschuss genommen. Schließlich war sie ja der Hauptgrund unseres Besuches. Schon vor der geplanten Zeit waren wir danach mit Koblenz-Mosel fertig, weshalb wir selbst bis zum ersten in Frage kommenden Zug nach Koblenz Hbf noch fast eine Stunde Zeit hatten.
Einen Augenblick trugen wir uns mit dem Gedanken, in Ko-Mo ein Zimmer zu mieten, was möglicherweise billiger gewesen wäre als in der City, aber der Gedanke schwand dahin – ebenso wie die Zeit während eines Leberkäsbrotes und eines Apfels, die wir uns unter dem Regendach der Haltestelle zu Gemüte führten.
Nach einer 44er vor einem Güterzug und einer 216 vor einem Eilzug kam glücklich auch P 2457 mit der 023 076 des Bahnbetriebswerk Saarbrücken, der uns nach Koblenz zurück beförderte.
Dort blieb Hans wieder auf dem Bahnhof, während ich mich um 17 Uhr zum zweiten male auf die Socken machte, um ein geeignetes Quartier zu finden. Etwa nach einer Stunde entdeckte ich gegenüber vom Bahnhof (über die Gleise) den ersten Gasthof seit Beginn meiner Wanderung. „Karthäuser Klause“. Leider waren jedoch alle Betten belegt. Die Wirtin empfahl mir jedoch ein Hotel „gleich um die Ecke links“ mit „guter Stube“, wohin ich auch gleich meine allmählich langsamer werdenden Schritte lenkte und hatte Glück. Es handelte sich keineswegs um ein piekfeines Bourgeoisie-Hotel, sondern vielmehr um eine als Hotel getarnte Pension mit einem freundlichen holzbeinigen Wirt. Ein Aufzug (auch Lift genannt) ersparte die Treppensteigerei zum vierten Stock. Zimmer 42 sollte uns als Unterschlupf für die Nacht dienen – ein Doppelzimmer für 32 DM pro Nacht inkl. Frühstück. Gut – einverstanden – was wollen wir in einer Großstadt anderes erwarten?
Ich ging zum Bahnhof zurück, wo wir uns gemeinsam noch ein Stündchen von Zügen „umschwirren“ ließen, bevor wir so gegen 20:30 Uhr zum Rückweg antraten. Im „Dahmo-Hotel“ sorgten wir gleich nach der Eintragung erst einmal für unser leibliches Wohl. Bier in Dosen und mitgebrachte Ostereier mit Ramabroten entlockten uns ein Schmatzen und Glucksen, das später in das plätschernde Geräusch von Wasser (Abendwäsche) und nach den Geräuschen einer Bettschlacht (do is mer so scho fixa fertig …) in ein lautes Schnarchen überging …
Den 5. April 1972 schrieb man, als so gegen 6 Uhr morgens im Zimmer 42 des Dahmo-Hotel Koblenz ein Reisewecker zwei schläfrige Lokspäher aus ihren Träumen schreckte.
So gegen 6.45 Uhr schlurften beide, nachdem sie ihre Morgentoilette beendet und ca. 20 Minuten lang das WC blockiert hatten, in den Aufenthalts- und Frühstücksraum und pflanzten sich an einen zwei-plätzigen Tisch, der schon halb gedeckt war. Das Personal, das umherschwirte und so nach und nach die Frühstücksgedecke zur Perfektion brachte, bestand aus drei kleinen Mädchen (ca. 8 – 10 Jahre), die ihre Sache recht gut beherrschten. Das Frühstück war derart ausgiebig, dass eine Liste des Vorgesetzten (= Freßmaterial, nicht Chef!) sinnvoll erscheint.
Pro Nase gab es:
2 Tassen Kaffee (inkl. Milch + Zucker)
6 Stückchen Butter
1Körbchen Gebäck (bestehend aus 2 Brötchen, 1Butterhörnchen, 1 Scheibe Schwarzbrot, 1 Scheibe Knäckebrot, 1 Scheibe Vollkornbrot)
Für beide gab es (zur gerechten Teilung):
2 Schälchen Marmelade (verschiedene Sorten)
Honig
Nach dem Essenfassen gab ich dem Wirt, was des Wirtes war: 32 Märker. Mein Wunsch, er möge uns für die Nacht vom 7. zum 8. April ein Zimmer reservieren, wurde gern erfüllt. Kurz danach waren wir startklar. Etwa eine Stunde vor der Abfahrt des Zuges standen wir bereits auf dem Bf Koblenz und schrieben so zum Zeitverteib alle Loknummern auf, die wir sahen (recht amüsante Tätigkeit).
Um 8:41 Uhr rollten wir im E 2198 (gezogen von 141 095) in Richtung Köln.
Eine gute Stunde später verließen wir den Zug in Lorz (mit „F“ würde es noch besser klingen), um eine Viertelstunde später mit dem N 3242 (140 454) das Ziel des heutigen Tages, Lorz-Gremberghoven, zu erreichen. Das Bahnbetriebswerk Gremberg verriet sich durch ein krauses Rauchwölkchen und eine abgestellte 55er (mit grünem Anstrich!), weshalb der Weg dorthin ohne Weiteres zu finden war. Auch hier fragte man in der Lokleitung, ob wir eine Tagesversicherung abgeschlossen hätten. Woher wollen denn wir das wissen?! Man schickte und in das – Gott sei Dank – nicht weit entfernte Bahnhofsgebäude.
Eine 55er, die direkt daneben in einem Außenbezirk des riesigen Rbf Gremberg rangierte, hielt uns eine Zeitlang auf, ließ sich aber wegen einer Buschhecke nur schlecht fotografieren. In der Güterkasse sah man es uns an den Nasenspitzen (seit wann ist denn ein Fotoapparat eine Nasenspitze?) an, dass wir das Bw stürmen wollten und füllte, ohne uns lang zu fragen, die Quittung aus. 2,78 DM bitte. Das war´s. Auf ins Bahnbetriebswerk Gremberg!
Trotz unserer Versicherung mussten wir uns noch eine Predigt des Bahnbetriebsvorstehers anhören, während der er uns verbot, den Lokschuppen zu betreten und den Bereich, in dem wir uns aufhalten durften, genau abgrenzte. Endlich konnte es losgehen.
Zuerst wurden zwei neben dem Lokschuppen stehende „Switcher“ verarztet, bevor Hans sich an den Nummern der E-Loks im Freien die Finger wund schrieb. Vor Ausländern waren wir auch in diesem Bahnbetriebswerk nicht sicher. Schon bald wurde einer auf uns aufmerksam, den ich unbedingt mit seinem Arbeitskollegen fotografieren musste. Dann nahmen wir uns die beiden bei der Bekohlung abgestellten 055 (193 und 848) vor. Die 055 647, die nach wie vor nebenan rangierte, konnten wir ab und zu wenigstens von der Seite knipsen. Schon bald traf eine 50er ein. Ihr folgte, man sollte es nicht glauben, die 055 538, die aus Siegburg gekommen war. Der Wettergott war uns hold. Bei strahlendem Sonnenschein wurde sie bekohlt, „bewässert“ und entrußt. Allmählich kam ein reger Dampfbetrieb zustande. Auch eine Betzdorfer 44er machte ihre Aufwartung. Als die 055 538 „ge-make-uped“ war, stellte sie sich zwischen die neben dem Dapflokschuppen vor sich hin qualmenden 50er. Ihr Dienst war vorerst beendet. Auch unserer für kurze Zeit, denn ein kurzer Wolkenbruch zwang uns, die Windschattenseite des Verwaltungsgebäudes aufzusuchen.
Eine größenwahnsinnige 324 unterhielt uns dabei, indem sie eine, offenbar defekte 140 (188), auf die E-Lok-Drehscheibe zog und in den Schuppen drückte.
Der Regen verzog sich. Wir gingen wieder zur „Entrußung“, wo noch die 44er stand.
Eine 139, die sich in unsere Nähe wagte, wurde selbstverständlich sofort unter Beschuss genommen. Die 055 647 hatte das Rangieren satt und kam zur Bekohlung geschlichen. Von ihr konnten wir die besten Aufnahmen machen. Als sie zur Drehscheibe fuhr, filmte ich sie trotz enormer Windstärke, was die Kameraführung sehr erschwerte. Sie stellte sich vor den Schuppen und wärmte nur die Nase darin. Eine „Knipper“ 290 kam wieder einmal, die ich noch auf der Drehscheibe „erschoss“, bevor wir uns in der Lokleitung abmeldeten..
Ehe wir dann dem Bw endgültig den Rücken kehrten, knöpften wir uns noch zwei abgestellte Loks vor: Die berühmte grün angestrichene 055 738 stand auf dem Kohlenbunker (weiß der Teufel, auf welchem Gleis sie da hinauf gekommen war) und sah verächtlich auf eine ausgediente 50er herab. Dabei konnte sie doch auch auf Ihrem Hochsitz dem Ausmusterungsgespenst nicht entwischen. Nachdem wir an beiden das ihnen zustehende Filmmaterial verschossen hatten, trollten wir uns zur Haltestelle Porz-Gremberghoven und warteten beim Genuss eines Apfels auf unseren Nahverkehrszug, der, sofern sich mein beschränktes Gedächtnis nicht irrt, pünktlich um 14:28 Uhr mit der 141 108 eintraf.
Auf ging´s gen Münster. (Wieso Münster? Ich denk, ihr wollt nach Rheine?). In Köln, Krefeld, Duisburg und Wanne-Eickel übten wir das sogenannte „Umsteigen“, das wir nun perfekt beherrschten. Im letztgenannten „Kaff“ erwischte ich bei der Abfahrt vom Zug aus eine abgestellte 94er (zwischen drei abgestellten 50ern).
18:33 Uhr. E 1865 traf in Münster ein. 141 078 fuhr vom Zug. 012 064 übernahm. Trotz der schon schlechten Lichtverhältnisse machten wir noch ein paar Aufnahmen. Während ich mich mit dem Tonband bereitstellte, wagte es Hans, den Heizer, der auch einen guten Gastwirt abgegeben hätte, „nach Bremszetteln“ zu fragen, die er auch prompt erhielt. Wegen eines verspäteten Intercity, dessen Anschluss abgewartet werden musste, verließ der E 1865 den Bahnhof mit etwa 15 Minuten Verspätung. Die 012 064 lieferte ein recht ordentliches Schauspiel – sowohl optisch als auch akustisch.
Nun wurde es Zeit zur Quartiersuche. Mein Münsterer Korrespondent hatte mir einen vereinfachten Stadtplan mit fünf angekreuzten Gasthöfen geschickt. Da er auch bei jedem Adresse und Telefonnummer aufgeführt hatte, klemmte ich mich in einer Telefonzelle an den Hörer und callte den dem Bahnhof am nächsten gelegenen Gasthof. „Altes Gasthaus Picker“. Zimmer frei, Preis für ein Doppelbett: 34,40 DM inkl. Frühstück. Zwei Minuten später betraten wir die Gaststube, die außer zwei Gestalten an der Bar wie ausgestorben war. Die anfangs etwas unfreundlich wirkende Wirtin wies uns Zimmer 7 zu, das zwar einen Toilettentisch mit überdimensionalen Spiegel, aber leider nur indirekten Blick zum Bahnhof aufzuweisen hatte. (Eine weit bessere Aussicht hatte man vom WC aus). Wir wuschen uns erst mal, dann verdrückten wir unsere „Gnaggwärscht“, die wegen unseres Kohldampfs auch ohne Rama auf dem Brot schmeckten. Zur Löschung unseres Durstes gingen wir anschließend noch in die Gaststube. Ein einziger Mann stand am Flipper. Es stellte sich jedoch gleich heraus, dass dies der Wirt war. Als ich zwei Bier bestellte, bekam ich vier. Kinderbierchen, weshalb ich noch zwei halbe anfordern musste, wenn wir nicht durstig ins Bett gehen wollten. Relativ früh zogen wir uns zurück. Ich machte noch kurz Bilanz, dann verkrochen wir uns in die Federn. Der Wecker erhielt den Auftrag, um 6:15 Uhr zu schellen ….
06.04.1972: 6:14 Uhr und 54 Sekunden: 6 … 5 … 4 … 3 … 2 … 1 … Rrrring! Gut geschrillt, Wecker!
Wie fröhlich sind wir aufgewacht, raus! Der Zug fährt um halb acht!
Morgentoilette …
Ein Blick vom WC zum Hbf Münster … runter in die Gaststube. Die Wirtin war bereits mit Reinigungsarbeiten beschäftigt. Sie schaffte es in relativ kurzer Zeit, uns ein Frühstück vorzusetzen: 2 Tassen Kaffee pro Nase, ca. 4 Semmeln, Butter, Marmelade (1 Sorte). In Anbetracht des ausfallenden Mittagessens stopften wir uns bis oben hin voll. Danach bezahlte ich 5,60 DM. (Ich hatte am Vortag nur zwei Übernachtungen bezahlt = 57,60 DM, da wir nicht wussten, ob wir Zeit zum Frühstücken haben würden.) Die Wirtin beschrieb uns den Weg zum Ostausgang des Bahnhofs, der in nur einer Minute zu erreichen war.
So kamen wir rechtzeitig, um die 012 058 ein paarmal zu fotografieren, als sie sich auf den E 1631 setzte. Eine Minute vor der Abfahrt machten wir es uns im ersten Abteil dieses Zuges bequem.
Um 7:34 Uhr donnerte die riesige „Ölsardine“ mit ihrem charakteristischen Dreierschlag aus dem Bahnhof. Münster flog an uns vorbei – entschwand.
Nach einer halbstündigen Fahrt durch das Norddeutsche Tiefland war Rheine fällig. Du passt links auf, ich rechts! – „Di is´s!“, Hans hatte auf der linken Seite eine riesige Qualmwolke erspäht. Loks in Massen – vorbei. Wer aber beschrieb unsere blöden Gesichter, als der Zug überhaupt gar nicht daran dachte, zu halten, sondern rollte und rollte und erst nach etwa drei Kilometern die Bremsen anlegte.
Endlich stand er im Bahnhof. Wir eilten nach vorn, um unsere 012 noch einmal bei der Abfahrt aufs Korn zu nehmen. Dann machten wir uns, keine Anstrengung scheuend, unverzüglich auf die Socken in Richtung Bahnbetriebswerk. Bei dieser Entfernung ließen uns unsere Spürnasen zum ersten Male im Stich. Wir verfransten uns erst einmal ganz gewaltig, da wir auf der Seite des Bws am Bahndamm entlang wollten. Der zweite Anlauf führte uns logischerweise links der Bahnanlage (auf einer Landstraße) entlang. Die Besiedelung wurde dünner – hörte auf. Ortsende von Rheine.
Vom Bahnbetriebswerk außer einer Qualmwolke nichts zu sehen. Dafür begann der große Rangierbahnhof. Irgendwo qualmte eine Dampflok vor einem Güterzug in unsere Richtung. Wir standen gerade auf einer kleinen Brücke, unter der ein einzelnes abzweigendes Gleis hindurch führte (vermutlich in Richtung Osnabrück).
Das Glück wollte es, dass der Güterzug mit der 011 072 bespannt war. Noch ehe sich die Qualmwolke verzogen hatte, latschten wir weiter. Am Horizont tauchten Regenwolken auf, die wegen eines stürmischen Windes bereits fünf Minuten später über uns standen. Die ersten Tropfen fielen. Das Bw war noch weit. Als der regen das erträgliche Maß überschritt, suchten wir in einem einsamen, halb abgerissenen Haus Unterschlupf. „Sch…!“ Sendepause. Zehn Minuten später drehte irgendjemand da oben den Wasserhahn so weit zurück, dass wir uns wieder ins Freie wagten. nach einiger Zeit entfernte sich die Straße vom Bahnkörper. Gleichzeitig zweigte eine Landstraße in Richtung Bahn ab und endete in einer Art Parkplatz, wo einige PKW standen. Ein DB-VW-Bus bog gerade ein. Die mussten doch irgendwohin wollen. Also hinterher!
Vom Parkplatz führte ein Trampelpfad schräg den Bahndamm hinauf. Während Hans in der der Lee-Seite eines Rundbaus, dessen Bedeutung völlig unerfindlich war, wartete (nach wie vor regnete es), begab ich mich auf Kundschaft. Ich kraxelte den Pfad hinauf. Vor mir lagen die Streckengleise Rheine – Münster. Zwischen ihnen und dem Außenbezirk des Rangierbahnhofs stand ein Stellwerk, zu dem der Pfad führte. Schräg links lag in einer Mulde das Bahnbetriebswerk. Da ich keine andere Möglichkeit sah, dorthin zu gelangen, holte ich Hans. Wir gingen zunächst bis zum Stellwerk. Dort sahen wir uns um, wie es weitergehen sollte. Ein Mann sprach uns an: „Wo wollt ihr denn hin?“
Wir nannten unser Ziel und mussten, was wir gar nicht anders erwartet hatten, erfahren, dass wir falsch dran waren. Unser gegenüber war aber einsichtig genug, uns mit Hinweis auf die nötige Vorsicht auf die Fortsetzung des Trampelpfades zu schicken. So gelangten wir schließlich, wer sagt es denn, zum Bahnbetriebswerk. Die ganze Zeit schon hatten wir uns Gedanken gemacht, wie die Lokführer an ihre Arbeitsstelle gelangen würden. Das Rätsel war gelöst, als ein Bus vor dem Verwaltungsgebäude hielt. Es bestand eine direkte Busverbindung nach Rheine. Neben einigen Lokführern stieg auch ein junger Engländer aus, dem man an seiner Ausrüstung seine Absicht ansah. Wir gingen mit ihm in das Verwaltungsgebäude zum Zimmer Nr. 6, da auf einer Tafel vor dem Bw sinngemäß stand: „Achtung Eisenbahnfreunde. Besichtigung des Bahnbetriebswerkes nur von 11 – 13 Uhr nach vorheriger Anmeldung in Zimmer 5 oder 6.“ Dort mussten wir uns eintragen und insgesamt 2,78 DM Versicherung bezahlen. Dann hatten wir freie Hand und betraten (obwohl es erst 10 Uhr war) die Anlagen.
Wir gingen systematisch vor und begannen deshalb rechts bei drei abgestellten Loks. Hinter ihnen begann der Ausbesserungsschuppen, wo das Bahnbetriebswerk auch größere Reparaturen selbst ausführen kann.
Davor stand außer den ausgemusterten Loks die kalte 012 054 und eine 042. Als wir die an der Drehscheibe stehenden Loks fotografierten, setzte der Regen, der bei unserer Ankunft aufgehört hatte, wieder ein. Deswegen durchstreiften wir erst einmal den Lokschuppen, wo wir erstmal ein paar 043 antrafen. Ich machte einige Stativaufnahmen, Hans notierte selbstverständlich alle Nummern. Es regnete noch immer, als wir den Lokschuppen verließen. Trotzdem klapperten wir alle im Freien vor sich hin qualmenden Loks ab, wobei die neben den Entkohlungsgruben stehende 011 062 von besonderer Wichtigkeit war.
Von Zeit zu Zeit mussten wir uns unterstellen. Unser Engländer hatte bald die Nase voll und verließ das „Depot“. Wir suchten uns in der Windschattenseite eines Gebäudes bei der Drehscheibe einen Standort, wo wir vor Nässe und Kälte schlotternd den Betrieb verfolgten und verzweifelt immer wieder zum Himmel sahen, der doch irgendwann einmal ein Einsehen haben musste. Und er hatte es – zwar reichlich spät, aber er hatte es. Die Wolkendecke brach auf, die Sonne sandte ihre Strahlen. Unsere Stimmung stieg. Endlich konnte man wieder richtig fotografieren.
Aber das Glück währte nur eine Viertelstunde, dann kam die nächste Dusche. Ihr folgten in immer größer werdenden Zeitabständen noch einige Schauer, dann blieb das Wetter konstant erträglich. Ab 14 Uhr etwa schien fast ständig die Sonne und gewährte uns durch ihre Kernfusion die so nötigen Licht- und Wärmeverhältnisse. Das Spähen machte nun wieder so richtig Spaß! Ich konnte auch endlich meine Filmkamera zum Einsatz bringen.
Ab und zu donnerte auf einer der beiden direkt am Bahnbetriebswerk vorbei führenden Strecken ein Güterzug vorbei, den wir bei rechtzeitiger Sichtung uns nicht entgehen ließen. Lok auf Lok kam im Bahnbetriebswerk an. Es herrschte nun reger Betrieb, ausschließlich aus Dampfloks bestehend. Dieselloks scheinen in dem Bahnbetriebswerk Gott sei Dank auch keinen Zutritt zu haben. Lediglich eine 260 kam einmal für kurze Zeit mit einer Sondergenehmigung und verschwand gleich wieder. Die Freude über das reine Dampf-Bahnbetriebswerk Rheine wurde lediglich durch einige bereits aufgestellte Masten getrübt, die eine baldige Elektrifizierung (zumindest teilweise) ankündigten. Aber noch hatten wir Gelegenheit, das Treiben im größten Dampflok-Bw Deutschlands (=BRD) mitzuerleben.
Wir verstanden nun, warum man es so weit abseits von der Ortschaft angelegt hatte. Der Qualm wäre den Einwohnern von Rheine nicht zumutbar. Unser Aufenthalt wurde der längste Bw-Besuch, den wir je unternommen hatten. Er dauerte insgesamt sieben Stunden. Wir konnten uns einfach nicht sattsehen und -fotografieren. Immer wieder kam eine neue Sehenswürdigkeit. Beispielsweise tauchte die 011 072 auf, die aus Osnabrück zurück gekommen war. Auch 043er waren inzwischen angekommen. Endlich besann sich wenigstens einmal jemand, auf den Omnibusfahrplan zu sehen. Deswegen fuhren wir durchaus noch nicht mit dem nächsten Bus. Erst so etwa um 17 Uhr stiegen wir in einen und bezahlten zweimal Rheine. der Weg, den der Busfahrer einschlug, um dorthin zu gelangen, zeigte uns, wie schwierig es war, das Bw Rheine auf legale Weise zu erreichen, wenn man von der Busverbindung nichts wusste.

Loks im Bahnbetriebswerk Rheine v. l. 044 682, 044 325, 044 xxx, 042 xxx, Tender einer 042, 044 162 auf Drehscheibe

Loks im Bahnbetriebswerk Rheine v. l. 044 267, 044 638, 044 678, 043 746 dahinter 042 166, 011 062, 012 066
Als wir durch Rheine fuhren, sahen wir, warum im Bahnbetriebswerk nur eine Traktionsart zu erblicken war: Gegenüber vom Bahnhof ist eine Art Außenstelle, wo die Rangierdieselloks und ETAs untergebracht sind. Der Bus hielt direkt am Bahnhof. Wir begaben uns natürlich sofort auf den Bahnsteig und sahen auf unserer Liste nach, wann der nächste Dampfzug fällig war. Es zeigte sich aber bald, dass die Dampfsonderzüge den geringsten Teil der gesamten Dampfzüge ausmachten. Laufend donnerten Güterzüge mit 042, 043 oder 044 durch den Bahnhof, so dass wir voll beschäftigt waren.
Vom Bahnhof aus sahen wir, dass etwas abseits in Richtung Emden zwei Vt 60 Einheiten abgestellt waren.
Während Hans auf dem Bahnhof Wache hielt, pirschte ich mich an die beiden heran, konnte aber nur einen fotografieren.
Da es auf dem Bahnhof Rheine so ergiebig war und die Lichtverhältnisse stimmten, stiegen wir erst um 19:08 Uhr in den E 1732, den die 012 068 eine Minute später in Richtung Münster zog.
Bei der Ankunft um 19:42 Uhr war es schon relativ dunkel. Trotzdem schoss ich noch eine Aufnahme von unserer Lok und auch von einer einfahrenden 104, während Hans auf Tonband festhielt, wie der Dampfer ins Bahnbetriebswerk Münster fuhr. Danach waren wir der Meinung, dass die Ausbeute des Tages groß genug war, um dem Bahngelände nun den Rücken kehren zu können. Wir verzogen uns in unser Quartier. Dort bestellten wir uns in der Gaststube, nachdem wir uns kurz gewaschen hatten, zwei Schnitzel mit Pommes Frites und zwei Halbe. Die Schnitzel hatten die Größe eines mittleren Abortdeckels, weshalb wir gerne auf Beilagen verzichten konnten. Ein einziger Jugendlicher saß an der Bar, später kamen noch ein paar Leute, aber ansonsten mussten wir die Rentabilität des Gasthauses schwer anzweifeln. Dabei waren ein Flipper, eine Musik-Box mit guten Schlagern und sogar eine Art Diskothek vorhanden. Nicht zu vergessen zwei Spielautomaten. Manche Gasthäuser „gehen“ einfach nicht. Weiß der Teufel, woran das liegen mag. Auch an diesem Tag gingen wir bereits früh zu Bett. Etwa ab 21 Uhr ließen wir die Ereignisse der letzten Stunden noch einmal an uns vorüber rauschen.
07.04.1972: 5:30 Uhr: Rrrring! „Ja, was hätten wir bloß ohne den Wecker gemacht? … Du Döskopp, dann lässt man sich eben von der Wirtin wecken! … Um halb 6? Da schläft die ja selber noch!“
An jenem Morgen mussten wir erst einmal ohne Frühstück auskommen. Man sagt: wie das frühstück, so der Tag. Vielleicht ist sogar etwas Wahres dran. Womöglich waren wegen des ausfallenden Frühstücks in Hohenbudberg … Jetzt halt mal die Luft an!
Um 6:37 Uhr saßen wir, nachdem wir das „alte Gasthaus Picker“ durch die Hintertüre verlassen hatten, im N 3362 und ließen uns von der 141 325 nach Wanne-Eickel ziehen. Von dort aus brachte uns der E 1546 weiter nach Duisburg. Hier bestanden 25 Minuten Übergangszeit bis zum Anschluss. Eine „Switcher“ vor einem Dstg. erfreute uns durch ihren Anblick und verhinderte Langeweile auf dem um diese Zeit ziemlich ruhigen Bahnhof. Die 141 058 brachte uns schließlich zum Ziel des heutigen Tages. Hohenbudberg-Bayerwerk.
8:56 Uhr war es, als wir an diesem Haltepunkt ausstiegen und die Lage erkundeten. Vom Zug aus hatten wir das Bahnbetriebswerk gesehen und waren uns deshalb im Klaren darüber, dass es wieder einmal einen ganz schönen Schlauch per pedes zu überwinden galt. Dieses Mal waren wir jedoch von Anfang an auf dem richtigen Weg. Sehr vielversprechend sah das Bahnbetriebswerk ja nicht aus. Durch einen unterirdischen Gang gelangten wir in die Lokleitung. Die Leute dort waren recht freundlich, bestanden aber darauf, dass wir eine Versicherung abschließen müssten. Also zurück durch den Tunnel ins Bahnhofgebäude! Dort fanden wir nach langem Treppauf – Treppab ein Zimmer, wo irgendetwas mit Kasse zusammenhängendes auf dem Türschild stand. Die Leute dort hatten aber keine Ahnung, was sie mit uns anstellen sollten und schickten uns deshalb ein Stockwerk tiefer zu einer jungen Dame, die das Versicherungswesen bearbeitete. Diese wusste zwar, was eine Tagesversicherung ist, konnte aber, auch in Gemeinschaftssuche mit einem weiteren Mann, keine „Formulare“ finden. Beide kamen zu dem Schluss, dass es eine derartige Versicherung überhaupt nicht mehr gäbe. Freundlicherweise rief er Mann jedoch im Bw an und teilte dies mit und bat sogar, uns den Bw-Besuch deshalb nicht zu vereiteln. Rücklatschung in die Lokleitung … Dort hatte man eine neue Theorie auf Lager: sie hätten uns in das falsche Haus geschickt, wir müssten „bei dem großen dort drüben links vorbei und durch den Hintereingang zur Kasse“. Rechts um! Kehrt Marsch! Links, zwo, drei, vier …
An dem ominösen Gebäude angekommen, mussten wir feststellen, dass neben dem Hintereingang zwar schwach leserlich „Kasse“ stand, derselbe jedoch verschlossen war. Allmählich staute sich eine gewisse Unlust in uns an. Wir versuchten es von der rechten Seite des Gebäudes. Am dortigen Eingang stand: DB-Arbeiter-Unterkunft. Wir waren dem Verzweifeln nahe, nahmen uns aber vor, den nächsten Menschen, den wir trafen, zu fragen. Aus dem Vordereingang, auf dem „Sozialküche“ stand, kam nach einiger Zeit ein schlichter Arbeiter, den ich fragte, wo man denn hier eine Tagesversicherung zum Besuch des Bws abschließen könne.
„Äh … Bw? Fotografieren? Bezahlen? – Dort hinten?“
Ein Fremdarbeiter, anscheinend jedoch der einzige Mensch, der Bescheid wusste.
Da wir etwas ungläubig schauten, meinte er: „Kommt mit! Ich zeigen euch!“, und als wir an dem Eingang zur Unterkunft standen: „Treppe hoch und geradeaus. Da Kasse!“
Tatsächlich standen wir kurz darauf an der Kasse des Bahnhofs Hohenbuddberg. Der Mann dort stellte uns auch sofort zwei Quittungen über die berühmten 1,39 DM (Umstandskrämer) aus. Hier ein Exemplar:
Mit diesen Quittungen betraten wir fünf Minuten später zum dritten Mal die Lokleitung. Unsere Bw-Besichtigung war jedoch damit noch längst nicht geritzt. Um doppelt sicher zu gehen, wollte man uns auch noch einen Aufseher mitgeben. Nochmals mussten wir etwa 20 Minuten warten, bis dieser eintraf. Er entpuppte sich jedoch als ein sehr gemütlicher kleiner Mann, der nach längerer Krankheit erst seit 14 Tagen wieder im Bahnbetriebswerk arbeitete.

Szene im lokschuppen des Bw Hohenbudberg. v. l. Tender der 050 604, 051 604, 051 708, 052 493, 051 338, Tender der 052 879
Wir begannen unseren Streifzug im Lokschuppen, einer riesigen Rechteckhalle, wo etwa zehn 50er „verstreut“ waren.
Während Hans wieder die Nummern notierte, machte ich einige Aufnahmen mit dem Stativ. Die meisten Loks standen kalt, vermutlich sogar „z“. Auch hier kann man bald auf die gute alte Dampflok verzichten. Vor dem Lokschuppen standen drei 50er unter Dampf, die wir unter die Lupe nahmen, bevor wir zum berühmten Lokfriedhof Hohenbudberg kamen. Da wir auf dem Weg dorthin über einen Ablaufberg mussten, über den laufend Güterwagen rollten, verstanden wir allmählich die Vorsichtsmaßnahmen der Lokleitung.

ausgemustert abgestellte Loks im Bw Hohenbudberg, l. 055 703 + 055 826, r. 052 305 (ohne Tender), dahinter 052 370 (Unfalllok)
Der Lokfriedhof selbst gab ein kümmerliches Bild ab: eine 055 und eine 050 waren dort ausgemustert abgestellt. Während wir beide Loks von allen Seiten fotografierten, erfuhren wir, dass an einer anderen Stelle im Bw noch einige Loks abgestellt waren.
Zu diesen gingen wir als nächstes. Es handelte sich um zwei 55er und drei 050er. Das erhöhte die Rentabilität unseres Bw-Besuchs zwar etwas, aber der Traum von unter Dampf stehenden 055 oder gar 094 wurde deswegen keine Wirklichkeit.
Hohenbudberg war einmal ein sehenswertes Bahnbetriebswerk.
Als wir die erwähnten Loks genügend oft beschossen hatten, brachte uns unser Führer wieder sicher zur Lokleitung zurück, wo wir uns abmeldeten. Unserem „Guide“ schenkte ich zwei Aufnahmen, dann kehrten wir dem Bahnbetriebswerk den Rücken und latschten zurück in Richtung Haltestelle. Da wir noch massenhaft Zeit hatten, verkrochen wir uns erst einmal in einen Gasthof, wo Dortmunder Bier ausgeschenkt wurde. Dort gaben wir auch dem Knurren unserer Mägen nach und bestellten uns neben vier Halben Alt-Bier eine kräftige Brotzeit. Obgleich wir ziemlich lange saßen, mussten wir anschließend an der Haltestelle noch relativ lange warten und fuhren sogar mit einem Zug früher als geplant nach Krefeld. Auf diesem Käsbahnhof hatten wir 33 Minuten Übergangszeit, die kaum durch ein Ereignis aufgelockert wurden. Gegen 14: 35 Uhr fuhren wir im D 817 nach Köln und von dort aus mit dem D 507 weiter nach Koblenz. Hier wartete ja der Geschäftsführer des Dahms-Hotels auf uns. Schon kurz nach unserer Ankunft in Koblenz kreuzten wir gegen 16:45 Uhr bei ihm auf.
„Ah – die Familie Hutschreuther!“, meinte er. „Dasselbe Zimmer!“.
Der Schlauberger hatte vermutlich nicht einmal die Betten neu überzogen. Konnt uns ja Wurst sein. Auf unserem Zimmer verdrückten wir das Pfund Räucherbauch, das wir seit vier Tagen mit uns herumschleppten, dann gingen wir noch ein wenig zum Spähen an die günstige Stelle gegenüber vom Bahnhof.
Um 18 Uhr sollte nämlich ein Personenzug mit einer 023 abfahren.
Die 023 080 kam um 18:21 Uhr mit einem Personenzug und beförderte denselben um 18:50 Uhr bereits wieder mit Tender voraus nach Bullay. Nach ihrer Abfahrt zogen wir uns in unser Quartier zurück. Dort genehmigten wir uns im Aufenthaltsraum noch ein Bier, bevor wir uns wieder einmal in die Federn verkrochen.
08.04.1972: Etwa 6:15 Uhr war es, als mein guter alter Wecker seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit tat und uns aus dem schlaf riss. Der Rest spielte sich wie am 05.04.1972 ab. Frühstück – ausreichend und vielfältig, bezahlen, Auf Wiedersehen – ab!
Auf dem Bahnhof konnten wir noch ein halbes Stündchen spähen, wo wir unter anderem einen 517 erwischten, dann ging´s um 8:55 Uhr mit 15 Minuten Verspätung im D 1125 ab in Richtung Frankfurt. Dort hatten wir 40 Minuten Übergangszeit, weshalb wir uns einen guten Überblick über den Betrieb auf dem Hbf-Frankfurt verschaffen konnten. Unsere Hoffnung, von Frankfurt bis Aschaffenburg endlich einmal mit einer 103 fahren zu können, wurde nicht erfüllt. Der Donaukurier, mit dem wir die Strecke zurücklegten, wurde von der 110 460 gezogen. Dafür erwartete uns gleich bei der Ankunft in Aschaffenburg eine Überraschung: auf dem Nachbargleis stand vor einem Anschlusszug nach Mittenberg die 065 018 abfahrbereit. Sie wurde bereits stehend zigmal von uns aufs Korn genommen und selbstverständlich erst recht bei ihrer Abfahrt. Dann machten wir uns auf den Weg ins Bahnbetriebswerk, der eigentlich gar nicht zu verfehlen war. Dort fragte man erstmals nicht nach einer Versicherung sondern gab uns unverzüglich einen jungen Führer mit.
Zuerst durchstreiften wir den Lokschuppen. Zwei 260, drei Köfs, 052 509 – sieh einer an!, 051 047 (N-R), 065 008 – aha! – sie lief allerdings leider im Laufe des nachmittags nicht mehr aus, 064 305, 064 247 (beide bekamen wir später mal zu sehen)und 65 014 z als Ersatzteilspender; die hatte sich ausgedampft!
Den E-Lok-Schuppen durchliefen wir mehr oder weniger nur wegen der Nummern. Eine 194, zwei 144, zwei 140, Schienenbusse. Als wir den Schuppen verließen, wurde gerade eine aus Mittenberg angekommene Nürnberger 50er bekohlt und bewässert.
Wir warteten bis sie fertig war, dann wendeten wir unsere Aufmerksamkeit drei abgestellten Loks, zwei 065, eine 50, zu, die wir erst nach dem Überschreiten der Streckengleise Frankfurt-Würzburg „anständig“ fotografieren konnten.
Bevor wir das Bahnbetriebswerk verließen, schrieb Hans kurz die Nummern der Schienenbusse im Vt-Schuppen auf. Wir bedankten uns bei unserem Führer und trollten uns. In Anbetracht der vielen restlichen zeit kam uns der Gedanke, uns zwischen Aschaffenburg Hbf und Aschaffenburg Süd an die Strecke zu stellen, da laut meiner Liste am Samstagnachmittag eine beachtliche Anzahl Dampfzüge verkehrt. Gesagt getan.
Wir standen noch nicht lange dort, als auch schon die 64 019 vor dem P 3310 angerauscht kam. Fünf Minuten später dampfte die 064 305 vor dem P3315 aus dem Hauptbahnhof.
Bis zum nächsten Dampfzug bestand eine lumpige halbe Stunde Wartezeit, die wir gerne in Kauf nahmen.
Um 14:08 Uhr kam die 064 247 – ebenfalls von „oben“ vor dem P 3317. Zu unserem Erstaunen hing am Schluss ihres Zuges sogar ein Vt 98 samt VS. das schien dem Bubikopf aber nicht hinderlich zu sein.
Wieder verging eine halbe Stunde, als der nächste Dampfzug fällig wurde. Zu unserer Freude kam damit die 065 018 aus Mittenberg zurück. Sie wurde sogar am Einfahrtsignal kurz aufgehalten, weshalb wir mehrere Aufnahmen von ihr machen konnten.
Nach einem Vt 98 um 14:50 Uhr war um 15 Uhr der P 3316 fällig. Er wurde jedoch zu unserer Enttäuschung von einer 215 befördert. naja – wollen wir nicht undankbar sein. Der nächste Dampfzug stand erst um 16:18 Uhr auf dem plan. Deshalb latschten wir zurück zum Bahnhof, freilich nicht ohne unterwegs im Stadtkeller ein halbes Bier zu verkonsumieren.
Auf dem Bahnhof selbst brauchten wir gar nicht allzu lange warten, da kam auf Gleis 2 die 064 305 aus Miltenberg zurück und raste, so schnell sie konnte ins Bahnbetriebswerk. Eine halbe Stunde nachdem dieser „Spuk“ vorbei war, kam „unser“ D 524 mit der 110 304 und brachte uns nach Würzburg, wo bereits der Anschlusszug, der allseits bekannte E 1885 bereit stand. Wir suchten uns ein nettes Plätzchen im letzten Wagen, der ja ab Bamberg der erste ist.
Bei der Abfahrt um 18:10 Uhr schnappte ich mir noch die 023 059 vom Zug aus, die sich „hier oben“ herumtrieb.
Während der fahrt nach Bamberg machte Hans unsere Illusionen von einem krönenden Abschluss mit einer 001 zunichte, indem ihm einfiel, dass ja samstags ein „Schleicher“, auch „Brummer“ genannt, das Zugpaar E 1794 / 1885 beförderte.
Aus der Traum vom Inka-Gold! (Zitat Dagobert Ducks).
Die 220 001 legte jedenfalls einen tollen Spurt hin, weshalb wir pünktlich in Bamberg eintrafen. 217 022 übernahm. 19:36 Uhr: twiet – twiet! Ab! Brumm! Lichtenfels 10 Minuten Aufenthalt – weiter! Die Spannung stieg.
„Ich fress an Beesn, wenn der Peter aufm Bahnhuf is!“ – Es war vereinbart, dass Peter uns von Kulmbach nach Mainleus chauffieren sollte, da P 2856 samstags nicht verkehrt.
Tatsächlich war bei der Ankunft keine Spur von Peter zu sehen. Die Besenmahlzeit blieb mir erspart. Also in die Telefonzelle: 09229 – 250 … tüt … tüt … „Hutschreuther“ … „Ja, hier auch Hutschreuther, dein lieber Sohn ist am Apparat!“ usw….
15 Minuten später kam Vater mit dem Wagen und holte uns ab. Mit Kasseler Rippla und Bier feierten wir anschließend den Abschluss einer erfolgreichen, gelungenen Spähfahrt.